Elektronische Patientenakte: Ärzte müssen sich für neue Gesprächssituationen fit machen
Laborwerte nehmen in den Patientengesprächen der Haus- und Fachärzte eine immer zentralere Rolle ein. Schon jetzt spielen Laborwerte bei 60 bis 70 Prozent der medizinischen Diagnosen und in der Therapiekontrolle eine entscheidende Rolle. Was das speziell für die Digitalisierung im Gesundheitswesen bedeutet, hat der Berufsverband Deutscher Laborärzte (BDL) auf seiner Jahreshauptversammlung in Berlin (22.10.) diskutiert.
Vor allem die elektronische Patientenakte (ePA) rücke Laborwerte in den Fokus der Arzt-Patienten-Kommunikation, indem sie Diagnoseergebnisse transparenter und besser vergleichbar mache. „Die digitale Gesundheitskompetenz der Patientinnen und Patienten im Bereich Labordiagnostik wird zunehmen“, prognostiziert der neue und alte Vorsitzende des BDL, Dr. Andreas Bobrowski. Das habe auch mit der wachsenden Zahl von Vorsorgeuntersuchungen zu tun, bei denen Laborwerte eine Rolle spielten. Jüngstes Beispiel hierfür sei das Screening auf Hepatitis B und C, das gesetzlich Versicherte ab 35 Jahren seit dem 1. Oktober einmalig in Anspruch nehmen können. Hinzu kämen Gesundheits-Apps, die die Eingabe oder Freigabe insbesondere von Blutwerten durch die Nutzerinnen und Nutzer vorsehen.
„Vor allem die Hausärztinnen und Hausärzte, aber auch die Fachärztinnen und Fachärzte im Labor, müssen sich fit machen für neue Gesprächssituationen. Denkbar ist, dass die Patientinnen und Patienten ihre neuen Laborwerte schon vor dem behandelnden Arzt oder der Ärztin kennen. Über die elektronische Patientenakte können sie zudem Langzeitvergleiche anstellen. Hinzu kommt die Frage, welche Daten möchte ich in der ePA speichern lassen und für welche Zwecke stelle ich sie zur Verfügung“, umreißt der Digitalisierungsexperte des BDL Dr. Bernhard Wiegel die sich abzeichnenden Veränderungen. „Die Praxen stehen auch vor erheblichen Investitionen in ihr Datenmanagement. Sie müssen mit den großen Datenmengen umgehen, die ihnen ärztliche Diagnostiker schicken. Dahinter stehen erhebliche monetäre Aufwendungen. Wenn wir die Digitalisierung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe begreifen, gehört auch die Finanzierung der Dateninfrastrukturen im Gesundheitswesen dazu“, so das Plädoyer Wiegels mit Blick auf notwendige Veränderungen insbesondere in den Hausarztpraxen.
Mit dem Vorstandsmitglied der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Dr. Thomas Kriedel und Dr. Nico Michel, Vertriebsleiter für Labordiagnostika von Roche Diagnostics Deutschland, diskutierte der BDL in Berlin die Rolle der Laboratoriumsmedizin in der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Kriedel rief die Fachärztinnen und Fachärzte im medizinischen Labor dazu auf, die Weichenstellungen für den innerärztlichen Austausch von Befunddaten mitzugestalten. Dies gelte insbesondere für die von der gematik beschlossene Telematikinfrastruktur 2.0, bei deren inhaltlichen Ausgestaltung noch viele Fragen offen seien. Hier müssten in enger Absprache zwischen den Haus- und Fachärzten einerseits und den im Labor tätigen Ärztinnen und Ärzten andererseits Strukturen entwickelt werden, in deren Mittelpunkt die Belange der Patientinnen und Patienten stehen.
In seiner Jahreshauptversammlung hat der BDL in Berlin seinen Vorstand für die Amtsperiode 2021/22 neu gewählt. Wegen der COVID-19-Pandemie war die Wahl um ein Jahr verschoben worden. Ohne Gegenstimmen im Amt bestätigt wurde der Verbandsvorsitzende Dr. Andreas Bobrowski (Lübeck). Neu in den Vorstand gewählt wurde Dr. Eike Albers aus dem Labor Dr. Quade & Kollegen in Köln. Weitere Mitglieder des Vorstandes sind Dr. Theo Stein (Stv. Vorsitzender, Mönchengladbach), Dr. Thomas Lorentz (Vorsitzender Sektion niedergelassene Fachärzte für Laboratoriumsmedizin, Kiel), PD Dr. Matthias Orth (Vorsitzender Sektion Klinikbereich, Stuttgart) sowie Dr. Michael Heins (Osnabrück) und Dr. Bernhard Wiegel (Passau).